Warum verlieren wir eigentlich immer wieder die Verbindung – obwohl sie doch zu unserer Natur gehört?
Wenn wir gehen, sind wir mit der Erde verbunden. Ein tiefer Atemzug - und wir sind mit unseren Lungen verbunden. Ein Blick zu den Wolken - und wir sind mit dem Himmel verbunden. Ein feiner Duft aus der Küche - und wir sind mit dem Menschen verbunden, der gerade einen Kuchen gebacken hat. Ein Regenguss überrascht uns - und wir sind mit unserem eigenen Körper verbunden.
Doch sobald Stress ins Spiel kommt – sei es durch Zeitdruck, Schlafmangel, Schmerzen oder alte Traumata – schaltet unser System auf Notprogramm: fight, flight, freeze. Das ist biologisch sinnvoll, um in akuten Gefahrensituationen zu überleben.
Aber: In diesem Zustand verlieren wir das feine Gespür für unser eigentliches tiefes Bedürfnis nach Nähe. Es fehlt uns dann nicht nur der Zugang zu unseren eigenen Bedürfnissen, sondern oft auch die Empathie – sowohl für uns selbst als auch für andere.
Die Verbindung wird vorübergehend gekappt, damit das ganze System auf möglichst schnelles Reagieren gestellt werden kann. Leider ist unsere Welt so voller Reize, Druck und Anforderungen (also potentielle Stressoren) dass viele Menschen fast dauerhaft in diesem Alarmzustand leben. Bis zum Burnout.
Und Du? Wie viel Stress – Deinen eigenen und den Deiner Mitmenschen – hältst du aus, um die Verbindung nicht zu verlieren?
Ich habe lange Zeit meinen eigenen Stress kaum gespürt, sehr wohl aber den Stress der anderen – und genau das hat mich gestresst. Heute erkenne ich viel früher die ersten Anzeichen und weiß, was ich tun kann, um mich selbst zu regulieren. Und ich beobachte: Wenn Simon gestresst ist, gelingt es mir inzwischen meistens bei mir zu bleiben – ruhig, präsent und entspannt.
Kleine Kinder brauchen Co-Regulation, um ihre Gefühle zu verarbeiten: Wir nehmen sie zu uns, wenn sie Angst haben. Wir wiegen sie, wenn sie traurig sind. Wir halten Augenkontakt, wenn sie wütend sind. Wir schützen sie. Dank dieser Zuwendung lernen sie allmählich, sich selbst zu regulieren.
Wenn wir als Kind jedoch mit unseren Ängsten allein waren – wenn niemand uns gehalten, beschützt oder beruhigt hat – dann fehlt uns als Erwachsene oft diese innere Sicherheit. Wir suchen sie dann (unbewusst) im Außen, vor allem in Beziehungen. Und genau hier wird es spannend:
Wie können wir einander in Beziehungen regulieren, ohne voneinander abhängig zu werden?
Wahre Nähe entsteht nicht dadurch, dass wir uns im anderen „verlieren", sondern indem wir in unserer eigenen Mitte bleiben und gleichzeitig offen füreinander sind.
Co-Regulation ist ein Geschenk – sie darf stattfinden, wenn beide Partner emotional präsent sind. Aber sie wird zur Belastung, wenn einer von beiden dauerhaft in der Rolle des „Beruhigers" steckt.
Gesunde Co-Regulation bedeutet:
Ich bin bei mir – und gleichzeitig offen für dich.
Ich kann dich halten – ohne mich selbst zu verlieren.
Ich gebe Dir Raum – ohne meinen eigenen Raum zu verlieren.
Das setzt voraus, dass jeder Verantwortung für seine eigene emotionale Welt übernimmt. Es braucht Achtsamkeit, ehrliche Kommunikation – und manchmal auch Abstand, um wieder bei sich selbst anzukommen.
Denn nur wer mit sich selbst verbunden ist, kann anderen wirklich in Verbundenheit begegnen.
Hier eine einfache Übung, die jedoch auch mir manchmal schwer fällt: wenn das nächste Mal jemand zu Dir kommt, um bei Dir über etwas zu schimpfen, zu weinen, seine Probleme zu wälzen, lehne Dich zurück. Höre einfach zu. Vertiefe Deine Atmung. Nimm Deinen Körper, Deinen eigenen Raum wahr. Lausche offen Deinem Gegenüber und beobachte neugierig, was in Deinem Körper, mit Deinen Gefühlen geschieht. Bedanke Dich anschliessend für das Vertrauen, das Dein Gegenüber in Dich hat und frage nach, ob es hören mag, was bei Dir abgegangen ist. Erzähle von Deinem Innenleben.
Ich freue mich, wenn Du mir rückmeldest, ob Dir das gelingt!
Und ich wünsche Dir viel Lust, in Deinen Beziehungen mehr Tiefe und Leichtigkeit zu erforschen!
In Verbundenheit,
Michèle Maruna